Nina | 11.07.2008 08:58 Uhr |
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Astrid Lindgren wurde als zweites Kind des Pfarrhofpächters Samuel August Ericsson (1875â0131969) und seiner Ehefrau Hanna Ericsson geb. Jonsson (1879â0131961) geboren. Sie hatte einen älteren Bruder, Gunnar (1906â0131974), und zwei jüngere Schwestern, Stina (1911-2002) und Ingegerd (1916â0131997). Ihre Kindheit hat sie stets als besonders glücklich beschrieben. â01EGunnar, Astrid, Stina und Ingegerd, so hießen die Ericssonskinder auf Näs. Es war schön, dort Kind zu sein, und schön, Kind von Samuel August und Hanna zu sein. Warum war es schön? Darüber habe ich oft nachgedacht, und ich glaube, ich weiß es. Zweierlei hatten wir, das unsere Kindheit zu dem gemacht hat, was sie gewesen ist - Geborgenheit und Freiheit.â01C 1914 wurde Astrid in Vimmerby eingeschult. Nach Sitte der Zeit war für Kinder einfacher Leute die eigentliche Schulzeit nach drei Jahren vorbei. Nur reiche Bürgerkinder besuchten eine weiterführende Schule, denn dafür musste man 23 Kronen im Halbjahr bezahlen. Die Eltern von Astrids Freundin konnten das Ehepaar Ericssons von einer weiterführenden Schulbildung ihrer Tochter überzeugen. In den folgenden sechs Jahren lernte die fleißige und begabte Schülerin vor allem Sprachen: Englisch, Französisch und Deutsch. 1923 schloss sie mit dem Realexamen die Schule ab und betätigte sich nach dem Wunsch ihrer Mutter als Haustochter. Sie lernte, wie man einen Haushalt vernünftig führt und verspürte noch nicht den Wunsch nach einer Berufsausbildung. Berufsleben in den 1920er und 30er Jahren Eines Tages bot der Chefredakteur der Ortszeitung (â01EVimmerby Tidningâ01C) der jungen Frau an, als Volontärin bei der Zeitung zu arbeiten. Astrid nahm das Angebot sofort an. Täglich radelte sie nun von Näs in die nahegelegene Kleinstadt und lernte das Journalistenhandwerk von Grund auf. Sie musste recherchieren, Korrekturlesen sowie Kurzberichte schreiben. Während dieser Zeit, mit achtzehn Jahren, wurde sie schwanger. Sie lehnte es ab, den Vater ihres Kindes, den Eigentümer und Chefredakteur der Zeitung, zu heiraten. Astrid Ericsson war fest entschlossen, allein für sich und ihr Kind zu sorgen. Sie verließ Näs und zog nach Stockholm. Dort ließ sie sich zur Sekretärin ausbilden und fand Unterstützung bei der Anwältin Eva Andén, die sich für die Rechte junger Frauen einsetzte. Am 4. Dezember 1926 brachte sie ihren Sohn Lars (genannt Lasse, gest. 1986) heimlich in Kopenhagen zur Welt. Durch die Vermittlung des Rigshospitalet in Kopenhagen, der einzigen skandinavischen Klinik, die keine offiziellen Meldungen über Geburten weitergab, kam er zunächst in Kopenhagen in einer Pflegefamilie unter. Ihre verzweifelte Einfühlung in den kleinen, verlassenen Sohn sei für Astrid Lindgren eine genauso wichtige Schreib-Inspiration geworden wie die eigene glückliche Kindheit, meinte ihre Freundin und Biografin Margareta Strömstedt. Von 1937 an arbeitete Lindgren als Stenografin für den schwedischen Professor für Kriminalistik Harry Söderman sowie ab 1940 in der Abteilung für Briefzensur des schwedischen Nachrichtendiensts.[2] Schriftstellerin und Lektorin Erst mit Ende dreißig wandte sich Lindgren der Schriftstellerei zu. Dies geschah eher zufällig. Ursprünglich hatte sie nicht vorgehabt, sich schriftstellerisch zu betätigen. â01ESchon in meiner Schulzeit erhoben sich warnende Stimmen: 'Du wirst mal Schriftstellerin, wenn du groß bist.' [â026] Das entsetzte mich derart, daß ich einen förmlichen Beschluß faßte: Niemals würde ich ein Buch schreiben. [â026] ich hielt mich nicht für berufen, den Bücherstapel noch höher anwachsen zu lassen.â01C[3] Für Tochter Karin erfand Astrid Lindgren die Geschichten über Pippi Langstrumpf. Dies geschah ab dem Winter 1941, als die Tochter krank im Bett lag und sich den Namen Pippi Langstrumpf ausgedacht hatte. Das Manuskript war ein Geburtstagsgeschenk für Karin. Im März 1944 reichte Lindgren einen Durchschlag beim schwedischen Verlagshaus â01EAlbert Bonniers Förlagâ01C ein. Die Geschichte der frechen Seemannstochter wurde abgelehnt. 1944 nahm sie außerdem an einem Wettbwerb des Verlags â01ERabén & Sjögrenâ01C teil. Das Preisausschreiben für das beste Mädchenbuch war mit der Forderung verbunden, der Text solle die Liebe zu Familie und Heim sowie das Verantwortungsgefühl gegenüber dem anderen Geschlecht befördern. Astrid Lindgren schrieb â01EBritt-Mari erleichtert ihr Herzâ01C, das den zweiten Platz in einem Wettbewerb gewann. Die 15-jährige Handlungsträgerin des Buches erleichtert ihr Herz in Form eines Briefromans. Sie ist von bemerkenswerter Selbstständigkeit und Unabhängigkeit - auch und gerade gegenüber dem anderen Geschlecht. Vom ersten Erfolg beflügelt, reichte die Preisträgerin im darauffolgenden Jahr das überarbeitete Manuskript von â01EPippi Langstrumpfâ01C bei â01ERabén & Sjögrenâ01C ein und bekam diesmal den ersten Preis. Die allererste Pippi-Zeichnung stammte von der Autorin persönlich. Im gleichen Jahr stellte der Verleger Hans Rabén Lindgren als Lektorin ein. Sie baute die Kinderbuchabteilung auf und arbeitete im Verlag bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1970. Die erste schwedische â01EPippi Langstrumpfâ01C-Ausgabe wurde von der dänischen Künstlerin Ingrid Vang Nyman illustriert. Im Herbst 1949 erschien Astrid Lindgrens Debütwerk auch in Deutschland, nachdem die Schriftstellerin den Hamburger Verleger Friedrich Oetinger kennengelernt hatte. Bis heute erscheinen die deutschen Ausgaben ihrer Werke im Friedrich Oetinger Verlag. Illustriert wurde die erste deutsche Pippi Langstrumpf von Walter Scharnweber. Das unkonventionelle Verhalten Pippi Langstrumpfs gefiel den jungen Leser und Leserinnen: Wie keine andere Figur verkörpert dieses rothaarige Mädchen den Lindgrenschen Typus des aktiven, selbstbewussten, selbstbestimmten, kreativen und gewitzten Kindes. Allein schon Pippi Langstrumpfs Aufzug kann als Parodie auf die Stereotypen des damaligen Mädchen- oder Backfischbuches interpretiert werden. Astrid Lindgren wohnte ab 1941 bis zu ihrem Tod in der Dalagatan 46 im Vasaviertel in Stockholm. Ihr Wohnhaus trägt heute das Hinweisschild: Astrid Lindgrens Hem 1941 - 2002. Im Jahr 1965 erhielt sie den Schwedischen Staatspreis für Literatur und kaufte im selben Jahr ihr Geburtshaus in Näs. Allein in Deutschland tragen 90 Schulen den Namen der bekannten Schwedin, die sich zeitlebens aktiv für Menschenrechte, insbesondere auch für die Rechte der Kinder und den Tierschutz einsetzte. Kritisch verfolgte sie außerdem die zunehmende Gewaltbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen. So brachte die schwedische Tageszeitung â01EExpressenâ01C 1995 einen Artikel, in dem Astrid Lindgren zusammen mit dem Skinhead Niklas S. gezeigt wurde, mit dem sie das Gespräch suchte. 1974 lachte die schwedische Fernsehnation über sie, als sie zum 80. Geburtstag ihrer Freundin Elsa Olenius mit dieser zusammen um die Wette auf einen Baum kletterte. Schließlich gebe es â01Ekein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu kletternâ01C. Zum ersten Mal mischte sie sich 1976 in die politische Debatte ein, als die schwedische Steuergesetzgebung dazu führte, dass Selbstständige (wozu in Schweden auch Schriftsteller zählen) über 100 % (100,1 %) an Steuer- und Sozialabgaben zahlen mussten. In der weiteren Auseinandersetzung schrieb sie das Steuermärchen Pomperipossa in Monismanien[6]: Astrid Lindgren rief darin, obwohl seit den dreißiger Jahren selbst Mitglied, zur Abwahl der Sozialdemokraten auf. Dies sei, auch wenn sie mit der neuen Regierung nicht einverstanden wäre, der einzige Weg, um die Demokratie in Schweden zu stärken. Ihr Steuermärchen wurde daraufhin von der liberalen Folkpartiet zu Wahlkampfzwecken genutzt. Bei der nächsten Wahl wurde die sozialdemokratische Regierung, damals unter Olof Palme, nach über 40 Jahren abgewählt. 1978 wurde Lindgren als erster Kinderbuchautorin der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels zuerkannt. Anlässlich der Verleihung hielt sie eine Rede unter dem Motto â01ENiemals Gewalt!â01C[7] in der Frankfurter Paulskirche, in der sie eindringlich zur gewaltfreien Erziehung von Kindern aufforderte. Die vorab eingereichte Rede wurde erst akzeptiert, nachdem Lindgren mit ihrem Fernbleiben von der Festveranstaltung gedroht hatte. Verleihung des Preises Schwedin des Jahres 1997 Tod Astrid Lindgren starb im Alter von 94 Jahren in ihrer Stockholmer Wohnung Dalagatan 46, in der sie über 60 Jahre lang gelebt hatte, an den Folgen einer Virusinfektion. Bei der Gedenkfeier am 8. März 2002 in Stockholm nahmen neben dem Königshaus und dem Premierminister in der Storkyrkan hunderttausende Menschen auf der Straße teil. Hinter ihrem Sarg, der auf einem Katafalk lag, gingen ein Mädchen und ein weißes Pferd. Astrid Lindgren Museum Astrid Lindgren Museum Über ihr Wirken schreibt Lindgren selber: â01EDas einzige, was ich hier auf Erden zustande gebracht habe, sind eine Menge Einfälle, und es ist mir selber rätselhaft, wie man so unentwegt mit lauter, zum Teil überdies noch recht verschrobenen Einfällen leben und fast sterben kann.â01C Seit 2002 verleiht die schwedische Regierung jährlich den Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis, der mit ca. 540.000 Euro der höchstdotierte Preis für Kinder- und Jugendliteratur weltweit ist.[10] Nach ihrem Tod gelangte ihr immenses Privatarchiv, unter anderem einige Zigtausend Briefe an Astrid Lindgren von Kindern aus aller Welt, aber auch von Kinderbuchautoren wie Otfried Preußler, James Krüss oder Erich Kästner, in die Königliche Bibliothek in Stockholm. Das Astrid-Lindgren-Archiv ist ein Teil des Weltdokumentenerbes. Zu ihrem hundertsten Geburtstag im Jahr 2007 wurde ein â01EAstrid-Lindgren-Jahrâ01C veranstaltet. |