Nina | 30.12.2008 10:52 Uhr |
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Es lag im Interesse Europas, daß die mächtig wachsende amerikanische Union sich entzweite und auflöste. So sprachen es damals vielfach Stimmen der Alten Welt aus. So haben auch die europäischen Mächte England und Frankreich eine unfreundliche, ja feindliche Haltung gegenüber den die Einheit verfechtenden Nordstaaten eingenommen. Sie erklärten zwar ihre Neutralität, doch zeigten sie mehrfach Sympathien für die Südstaaten und unterstrichen dies durch Handlungen im Seekrieg.
Als der neue Leiter der amerikanischen Außenpolitik, WILLIAM H. SEWARD, zu Beginn des Bürgerkriegs sich nach befreundeten Mächten umsah, fand er, daß unter den Großmächten Rußland allein sich freundlich verhielt. Gleicher Auffassung war man auf russischer Seite. »Die Existenz (der Vereinigten Staaten) ist für uns wichtiger als für irgendeinen andern Staat.« Sie galt als Gegengewicht gegen England. Diese Rivalität schien die beste Sicherung vor der geballten Macht der Angelsachsen. So wünschte das Zarenreich die Einheit der Vereinigten Staaten zu erhalten. Der Außenminister GORTSCHAKOW erklärte: »Dieser Bund war fruchtbar. Er hat der Welt ein beispielloses Schauspiel in den Annalen der Geschichte gegeben.« Das war im Munde des Repräsentanten einer Autokratie eine merkwürdige Lobrede auf die Vereinigten Staaten, von denen er weiter sagte: »Geeinigt, vervollkommnen sie sich, getrennt voneinander sind sie paralysiert.« Aus solchen Erwägungen heraus suchte Rußland die beiden feindlichen Teile wieder zusammenzuführen. Jede Anerkennung oder auch nur Stützung der Südstaaten wurde abgelehnt. So ist es zu verstehen, wenn die Proklamation der Sklavenbefreiung bedauert wurde: sie verschärfte zunächst die Trennung zwischen beiden Teilen der Union, die einig und mächtig zu sehen das damalige russische Interesse heischte. Im Herbst 1863, noch mitten im Bürgerkrieg, gingen Teile der russischen Ostseeflotte im Hafen von New York und Teile der russischen Ostasienflotte im Hafen von San Francisco vor Anker. Die Nachricht davon erregte ungeheures Aufsehen in der Welt und ungemeine Begeisterung in den amerikanischen Nordstaaten. Man sah darin eine Demonstration der Macht gegen die interventionslüsternen europäischen Westmächte. Die Amerikaner überschlugen sich in der Begeisterung und meinten, daß, wenn Sklaven und Leibeigene befreit sind, es nichts mehr gäbe, was Russen und Amerikanern unmöglich sei. So verband man mit der militärischen Demonstration ein weitausschauendes, Inneres und Äußeres vermengendes Zukunftsbild. Ein General berief sich sogar auf die Vorsehung, die bestimmt habe, daß zwei Hemisphären seien, die eine, östliche, durch Rußland, die andere, westliche, durch die Vereinigten Staaten repräsentiert. An die Anwesenheit der russischen Flotte hat sich eine zählebige Legende bis in unser Jahrhundert geknüpft. Erst während des Ersten Weltkriegs ist sie von einem amerikanischen Historiker zerstört worden, um trotzdem immer wieder aufgegriffen zu werden. Die Legende wollte, daß das Zarenreich den Amerikanern die Flotte gesandt hätte, um notfalls Hilfe zu leisten. Das Einlaufen in San Francisco war aber eine Eigenmächtigkeit des russischen Admirals und das Einlaufen in New York entsprach nach der Geheiminstruktion für den hierhin beorderten Admiral dem unmittelbaren russischen Interesse. |